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Süddeutsches Kaltblut: Ein bayerisches Kraftpaket erobert die Reitbahn

09.09.2024 - Lesedauer: 6 Minuten

In Zeiten, als in Land- und Forstwirtschaft sowie im Transportwesen kaum jemand an Maschinen dachte, waren die ursprünglichen Pferdestärken ein wichtiges Thema. Arbeitstiere wie das Süddeutsche Kaltblut zogen Pflug und Fuhrwerke und halfen im Wald beim Abtransport gefällter Bäume. Obwohl die Muskelkraft der großen Vierbeiner in diesen Bereichen heute keine entscheidende Rolle mehr spielt, hat die Rasse weiterhin ihre Fans bei Kutschern und Freizeitreitern. Hier lernst du Süddeutsche Kaltblüter kennen.

Wesen: sanftmütig und arbeitswillig

Der Charakter des Süddeutschen Kaltbluts ist von einem hohen Maß an Gelassenheit geprägt. Die großen Pferde lassen sich so leicht nicht aus der Ruhe bringen. Sie zeichnen sich durch Ausgeglichenheit und Gutmütigkeit aus, was sie zu hervorragenden Familientieren macht. Sie sind sehr menschenbezogen und kinderlieb.

Trotz ihres ruhigen Temperaments sind sie alles andere als phlegmatisch: Süddeutsche Kaltblüter legen hohe Leistungsbereitschaft an den Tag und begeistern mit Aufmerksamkeit und Vitalität. Trotzdem schätzen sie (wie die meisten Kaltblutrassen) eine gewisse Routine im Tagesablauf.

Ursprung: das Süddeutsche Kaltblut im Rasseporträt

Die Pferderasse Süddeutsches Kaltblut ist eine moderne Weiterentwicklung des Norikers. Das ist eine österreichische Kaltblutrasse, die sich bis zu den Legionärspferden der Römerzeit zurückverfolgen lässt und alternativ als „Pinzgauer“ bekannt ist. Ziel bayerischer Züchter war es etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts, einen größeren und schlankeren Pferdetyp zu etablieren. Zur Veredelung wurden Warm- und Vollblutpferde eingekreuzt: Hengste der Rassen Sächsisches Warm- und Englisches Vollblut steuerten ihre Gene bei.

Seit 1952 ist das Süddeutsche Kaltblut als eigenständige Rasse anerkannt. Das Zuchtbuch ist offen; es sind Verpaarungen von Stuten, deren Mütter Noriker sind, mit Hengsten des Sächsischen Warmbluts zugelassen. Das Ursprungszuchtbuch wird vom Landesverband Bayerischer Pferdezüchter e.V. geführt, aktuell gibt es ungefähr 120 Hengste und fast 2.000 Stuten.

Sowohl die ursprünglichen Noriker als auch die neuere bayerische Zuchtvariante zeichnen sich als trittsichere Gebirgspferde aus. Die Unterschiede zwischen den Rassen fallen (noch) nicht so spektakulär aus. Während das Süddeutsche Kaltblut ein Stockmaß zwischen 160 und 165 Zentimetern hat, bringen es Noriker auf 155 bis 165 Zentimeter. Daran anschließend stellt sich die Frage: Was wiegt ein Süddeutsches Kaltblut? Das Gewicht liegt bei durchschnittlich 850 Kilogramm; Noriker bringen bis zu 900 Kilogramm auf die Waage. Bei den Norikern sind mögliche Farbschläge und deren Varianten ein wenig vielfältiger. Unter ihnen gibt es beispielsweise Mohrenkopfschimmel oder Kuhschecken. Identifizieren kannst du im Zweifel ein Süddeutsches Kaltblut am Brandzeichen (Noriker: Edelweiß mit einem „N“, Süddeutsches Kaltblut: Edelweiß mit mittigem Kreis).

Dreimal jährlich veranstaltet der Landesverband Bayerischer Pferdezüchter Fohlenauktionen, bei denen Interessenten ihre künftigen Sport- und Freizeitpartner erwerben können. Dich interessiert: Was kostet ein Süddeutsches Kaltblut? Im Schnitt solltest du mit 4.000 bis 8.000 Euro rechnen.

Bewegung und Eignung: Freizeitpartner und Arbeitstier

Beim Süddeutschen Kaltblut wird Wert auf gleichmäßige und raumgreifende Grundgangarten gelegt; der Bewegungsablauf soll erhaben und energisch sein. Im Trab muss eine deutliche Schwebephase erkennbar sein, der Schub aus der Hinterhand über den schwingenden Rücken auf die Vorderhand übergehen.

Obwohl man Kaltblutpferde vornehmlich mit Fuhrwerken assoziiert, kannst du das Süddeutsche Kaltblut reiten. Die Rasse zeichnet sich durch ihre hohe Rittigkeit aus. Hinzu kommt, dass das Zuchtziel auf zwar weiterhin muskulöse, aber deutlich leichtere Exemplare ausgerichtet ist. Das erhöht die Beweglichkeit der Tiere unter dem Sattel; sie sind als mittelschweres Sport- und Freizeitpferd geeignet. Dank seiner Eleganz und Wendigkeit kann das Süddeutsche Kaltblut für Dressur ausgebildet werden. Vor allem als sogenanntes Barockpferd hat die Rasse viele Fans. Aufgrund seiner Kraft kommt das Rassepferd sogar mit etwa „gewichtigeren“ Reitern zurecht. Als Faustregel gilt: Das Reitergewicht sollte 15 Prozent vom Pferdegewicht nicht überschreiten.

Außerdem ist das Süddeutsche Kaltblut im Fahrsport prominent, beispielsweise vor Fuhrwerken im Rahmen der beliebten Brauchtumsveranstaltungen oder im Tourismus. Nicht zuletzt werden Süddeutsche Kaltblüter nach wie vor als Arbeitspferde eingesetzt, zum Beispiel als Rückepferd bei Forstarbeiten.

Auch auf einem weiteren Gebiet zeigen die Süddeutschen Kaltblüter besondere Stärken: Dank ihrer Sanftheit und Geduld sind sie einfühlsame Therapiepferde, die insbesondere für die Arbeit mit körperlich und geistig behinderten Menschen geeignet sind.

Haltung: viel Platz und Frischluft

Süddeutsche Kaltblutpferde fühlen sich in der Offenstall- oder Paddock-Haltung wohl. Auch klassische Stallhaltung mit reichlich täglichem Außenaufenthalt ist okay. Bei all dem muss der Kontakt zu Artgenossen gewährleistet sein. Einzelhaltung ist für das Herdentier Pferd tabu.

Wichtig ist, dass du dein Kaltblutpferd gut erziehst: Aufgrund seiner schieren Größe und Kraft können schon kleine Unarten der gutmütigen Großpferde widrige Folgen haben.

Was die Fütterung betrifft, ist das Süddeutsche Kaltblut unkompliziert. An die Wiesen im Alpenraum gewöhnt, zeigt es keine besondere Empfindlichkeit in Sachen Grasverwertung. Trotz ihrer Größe sind die Tiere leichtfuttrig; Kraftfutter solltest du nur in Ausnahmefällen reichen, falls dein Pferd tatsächlich schwer arbeitet. Gras, Heu, Ergänzungsfutter und gegebenenfalls die Zugabe von Mineralsupplementen, etwa in Form eines Lecksteins, sind meist ausreichend. Kaltblüter neigen generell zu Übergewicht bei zu wenig Auslastung. Du solltest dich fachkundig beraten lassen, was und wie viel davon am besten in den Futtertrog soll.

Wissenswertes und Besonderheiten: gesicherter Bestand und „schlankes“ Bein

Der eingangs bereits erwähnte Einzug von Maschinen in die Landwirtschaft führte im Laufe des vergangenen Jahrhunderts dazu, dass die Bestände an Arbeitspferden dramatisch zurückgingen. So manche traditionelle Kaltblutrasse ist in ihrem Bestand gefährdet.

Für das Süddeutsche Kaltblut und den in diesem Kontext stets ebenfalls zu nennenden Noriker gilt das nicht: Beide Pferderassen werden weiterhin gezüchtet und haben Liebhaber unter Freizeitreitern und im professionellen Umfeld. Einen wichtigen Anteil daran hat sicherlich der Umstand, dass die Kaltblüter nicht nur als Zugpferde, sondern auch für Freizeitreiter attraktiv sind. Diese Vielseitigkeit erschließt ihnen unter Pferdefreunden eine große Zielgruppe.

Eine optische Besonderheit stellt die Kötenbehaarung dar: Währende andere Kaltblutrassen oft sehr ausgeprägte Behänge haben, sind solche beim Süddeutschen Kaltblut kaum vorhanden. Auch das unterstreicht die „schlankere“ Optik der Pferde.

Gesundheit und Anfälligkeiten – Vorsicht mit Zucker

Grundsätzlich gelten Süddeutsche Kaltblutpferde als wenig disponiert für rassespezifische Krankheiten. Allerdings sind sie anfällig für eine „Kaltblutkrankheit“, die sich in jüngerer Zeit ausbreitet und vornehmlich Kaltblutrassen und vereinzelt Warmblüter betrifft. Bei der sogenannten Polysaccharid-Speicher-Myopathie oder kurz PSSM handelt es sich um ein Missverhältnis von Ein- und Auslagerungen von Zuckermolekülen in den Muskelzellen. Dies äußert sich beispielsweise in Muskelsteifheit oder –zittern, speziell an den ausgeprägten Hinterhandmuskeln. Im Anfangsstadium ähneln die Symptome einem Kreuzverschlag.

PSSM wird durch eine genetische Mutation ausgelöst; die Disposition dafür kann über einen DNA-Test nachgewiesen werden. Ist dein Pferd von PSSM betroffen, wird die Krankheit durch die Gabe von zuckerarmem Raufutter, Zufütterung von Vitamin E und Selen sowie dem konsequenten Vermeiden von melassehaltigem Zufutter zwar nicht geheilt, aber gelindert. Darüber hinaus benötigt das Tier viel Bewegung und Aufenthalt im Freien.

Selbst bei bester Haltung und Gesundheit solltest du eines bedenken, wenn du ein Süddeutsches Kaltblut kaufst. Leider ist es mit Pferden ähnlich wie bei Hunderassen: Ihre Größe beeinflusst das Altwerden. Beim Süddeutschen Kaltblut ist eine Lebenserwartung von 16 bis 18 Jahren realistisch.

SteckbriefSüddeutsches Kaltblut

Rasse:
Süddeutsches Kaltblut
Typ/Art:
Kaltblut
Herkunftsland:
Deutschland
Stockmaß:
160 bis 165 Zentimeter
Gewicht:
bis 850 Kilogramm
Farben & Fellzeichnungen:
alle Grundfarben (vorwiegend Füchse mit hellem Langhaar) sowie „Tigerschecken“
Aussehen:
harmonische Proportionen, mittellanger Hals, gut gelagerte Schulter, gut bemuskelter, mittellanger Rücken, breite Kruppeh
Charakter:
ausdauernd, aktiv, folgsam, leistungsstark
geeignet für:
Zugpferd, Arbeitspferd, Reitpferd

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