Qualzucht bei Katzen: Leiden für den Schönheitswahn?
22.09.2025 - Lesedauer: 13 Minuten

Das besondere Aussehen einiger Rassen geht oft mit schweren Organschädigungen und Einschränkungen einher. Der Peterbald-Katze fehlen zum Beispiel die Tasthaare.
feedough/iStock / Getty Images Plus via Getty Images
Knickohren, Kurzköpfigkeit, Skelettdeformationen, Sinneseinschränkungen und Fellveränderungen: Worunter Qualzucht-Katzen lebenslang zu leiden haben. In der Hundewelt spaltet das Thema Qualzucht Hundefans seit Jahrzehnten in verschiedene Lager. Andere Haus- und Nutztiere werden aber oftmals im Zusammenhang mit Qualzuchten vergessen. Dabei sind von den Fischen bis hin zu den Ziervögeln viele Tiere betroffen. So auch das liebste Haustier der Deutschen, die Katze: Viele begehrte Rassekatzen zeigen deutliche Qualzuchtmerkmale. Welche das sind und worunter die betroffenen Samtpfoten leiden, erklären wir in diesem Ratgeber.
- Was ist eine Qualzucht?
- Welche Qualzuchten kommen bei Katzen vor?
- Chondrodysplasie (disproportionierter Zwergenwuchs) bei Katzen
- Fellanomalien und Haarlosigkeit bei Katzen
- Polydaktylie (Vielfingrigkeit) bei Katzen
- Kurzschwänzigkeit oder Schwanzlosigkeit bei Katzen
- Brachyzephalie (Kurzköfpigkeit) bei Katzen
- Anomalien der Ohren bei Katzen
- Aufhellung der Fell- und Augenfarbe bei Katzen
Das 1999 im Auftrag der Bundesregierung und unter Mitwirkung des Deutschen Tierschutzbundes erstellte „Qualzuchtgutachten“ empfiehlt ein Zuchtverbot für haarlose, extrem kurzköpfige Zuchtformen (sogenannte brachycephale Rassen) und weitere, bei denen extreme Ausprägungen im Körperbau (sehr langer Rücken, stark verkrümmte Beine, Wirbelsäulenveränderungen, übermäßiges Fellwachstum usw.) ein gesundes Leben unmöglich macht.
Ein verantwortungsvoller Tierhalter, der natürlich viel Wert auf ein gesundes, unbeeinträchtigtes Leben seines Vierbeiners legt, sollte bei der Entscheidung für eine geeignete Rasse diese Hinweise unbedingt berücksichtigen.
Wir von Fressnapf setzen uns als verantwortungsbewusste Tierfreunde aktiv für das Wohlergehen der Tiere ein und möchten auf die Herausforderungen hinweisen, die bestimmte Zuchtpraktiken mit sich bringen. Daher vermeiden wir es bewusst, Bilder von Qualzuchten außerhalb expliziter Rasseportraits zu zeigen, um keine ungewollte Nachfrage zu fördern.
Uns ist zudem bewusst, dass viele Tierhalter nicht wissen, dass ihr geliebtes Haustier unter den Folgen einer Qualzucht leiden könnte. Unser Ziel ist es nicht, Schuldgefühle zu wecken, sondern durch informative Beiträge darüber aufzuklären und gleichzeitig Hilfestellungen zu geben, diesen Tieren ein möglichst gesundes und glückliches Leben zu ermöglichen.
Was ist eine Qualzucht?
Kulleraugen, Stupsnase und kurze Beinchen – das Zuchtziel ist häufig, ein niedliches Äußeres zu kreieren, das Menschen unwiderstehlich finden. Dabei greifen Züchter gerne in die Trickkiste des Kindchenschemas: Die Proportionen und Gesichtszüge von Tierkindern lösen in uns den Schlüsselreiz aus, uns um die süßen Kleinen zu kümmern. Diese äußerlichen Merkmale erscheinen vielen Menschen besonders ästhetisch und werden den Tieren aus diesem Grund angezüchtet. Dabei sind diese Veränderungen mit erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden für das Tier verbunden. Leider werden sie oft billigend in Kauf genommen, um diesem Idealbild zu entsprechen. Gemäß dem obersten Grundsatz (§ 1) des deutschen Tierschutzgesetzes, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf, sind diese Züchtungen bereits für sich genommen kritisch zu hinterfragen. Wenn man davon absieht, dass auch Katzen durch Qualzuchtmerkmale lebenslang wie Tierkinder aussehen, obwohl sie erwachsene Raubtiere werden und dementsprechend behandelt werden sollten, entstehen bei dieser Art der Zucht häufig Tiere, die mit erheblichen Einschränkungen leben müssen. Aber auch andere äußerliche Merkmale, wie etwa Faltohren, die nicht im Zusammenhang mit dem Kindchenschema stehen, werden als Qualzucht bewertet.
In Paragraf 11b regelt das Deutsche Tierschutzgesetz, was unter einer Qualzucht zu verstehen ist. Verkürzt und vereinfacht heißt es dort: Wenn erwachsenen Tiere (gemeint sind hierbei alle Wirbeltiere) oder ihren Nachkommen aus erblichen Gründen (also zuchtbedingt) Körperteile oder Organe fehlen oder ihr Körper so umgestaltet ist, dass sie dadurch Schmerzen oder Einschränkungen erleiden, handelt es sich um eine Qualzucht. Dabei sind alle physischen oder psychischen Erkrankungen, die durch die Zucht entstehen und zu Leiden, Beeinträchtigungen oder Untauglichkeit des Tieres führen, als Qualzuchtmerkmale zu bewerten.
Trotz der gesetzlichen Grundlage und obwohl die Sachverständigengruppe Tierschutz und Heimzucht in einem vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung beauftragten Gutachten Qualzuchtmerkmale für Katzen festgelegt hat, heißt es nicht, dass die Zucht dieser Katzen in Deutschland verboten ist. Gerade in den letzten Jahren ist ein Trend hin zu Qualzucht-Rassekatzen zu beobachten. Sachkundige gehen davon aus, dass verschiedene Qualzuchtrassen durch die Social-Media-Kanäle bekannter „Catfluencer“ besonders beliebt geworden sind.
Welche Qualzuchten kommen bei Katzen vor?
Ausprägungen von Qualzuchten
• Chondrodysplasie (disproportionierter Zwergenwuchs) und Skelettdeformationen
• Fellanomalien und Haarlosigkeit
• Polydaktylie (Vielfingrigkeit)
• Kurzschwänzigkeit oder Schwanzlosigkeit
• Brachyzephalie (Kurzköfpigkeit)
• Anomalien der Ohren
• Aufhellung der Fell- und Augenfarbe

Michael Beder/Gallo Images ROOTS RF collection via Getty Images
Die im Verhältnis zum Körper sehr kurzen Beine und der lange Rücken sind bei der Munchkin ein Qualzuchtmerkmal.
Chondrodysplasie (disproportionierter Zwergenwuchs) bei Katzen
Die Munchkin oder Dackelkatze weist eine artuntypische hasenartige Fortbewegung auf. Durch die stark verkürzten Beine sind die Tiere in ihren artspezifischen Bewegungsabläufen stark eingeschränkt. So können sie weder springen, klettern noch jagen. Der damit einhergehende Bewegungsmangel führt häufig zu Übergewicht. Aber auch sekundäre Erkrankungen wie Arthritis, Arthrose und Bandscheibenvorfälle kommen bei Dackelkatzen häufig vor.
Die verkürzten Gliedmaßen entstehen durch die Erbkrankheit Chondrodysplasie: Sie führt zu eine Fehlbildung der langen Röhrenknochen und somit zur Verkürzung der Beine. Außerdem kommt es dabei zu Fehlstellungen der Gliedmaßen, Fehlbelastungen und der Entwicklung sekundärer Arthrose. In schweren Fällen der Chondrodysplasie kommt es darüber hinaus zu Lungen- und Zahnerkrankungen, neurologischen Beschwerden und diversen Organ- und Hormonstörungen. Bei der Zucht müssen Munchkin-Katzen mit regulären Katzen verpaart werden, denn die Embryos aus der Paarung zweier Dackelkatzen sind nicht lebensfähig und sterben meistens bereits im Mutterleib.
Es gibt noch eine weitere Form, die sogenannte Kängurukatze oder in der englischen Umgangssprache auch Squitten genannte Katze, die aus den 1940er-Jahren stammt. Dabei handelt es sich um eine Katze mit einer genetischen Missbildung, insbesondere der Speiche. Diese ist stark verkürzt, fehlend oder verdreht, wodurch die Vorderbeine besonders kurz sind und nur noch eine artuntypische Haltung zulassen, die der eines Kängurus oder Eichhörnchens ähnelt.
Katzenrassen mit Chondrodysplasie:
• Munchkin-Katze (Dackelkatze)
• Minskin
• Minuet
• Lambkin
• Bambino
• Dwelf
• Genetta
• Kinkalow
• Skookum
• Gaelic Fold
• Scottish Kilt
• Munchamese
• Munch-Bob
• Mei Toi Munchkin
Fellanomalien und Haarlosigkeit bei Katzen
Ein Gendefekt, der die Keratinbildung stört, ist für das fehlende Fell bei Nacktkatzen verantwortlich: Die Haare brechen bereits in einem frühen Entwicklungsstadium ab, sodass sich kein Fell bilden kann. Davon ist bei Nacktkatzen nicht nur das Körperfell betroffen, sondern auch die Tasthaare. Die Tasthaare (Vibrissen) sind für Katzen ein wichtiges Sinnesorgan, das ihnen bei der Jagd und bei der Orientierung hilft. Auch kommunizieren Katzen über ihre Tasthaare. Ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2015 macht es deutlich: Der Verlust ihrer Schnurrhaare ist als Schaden für die Katze und damit als Qualzucht anzusehen. Zusätzlich führen die Haarveränderungen zu einer vermehrten Talg- und Fettbildung, weshalb eine regelmäßige Pflege in Form von Baden oder Waschen erforderlich ist.
Nacktkatzen wie die Sphynx und Kohana sind Witterungseinflüssen hilflos ausgesetzt: Sie müssen geschützt werden vor Kälte, Zugluft und Sonnenbrand. Hierbei ist der Schutz vor Kälte bereits bei Wohnungstemperaturen erforderlich. Aber auch beim Jagen und Spielen sind die Tiere eingeschränkt, weil sie sich durch das fehlende Fell leichter verletzen. Sie neigen zu Zahnerkrankungen und haben genetisch bedingt ein erhöhtes Risiko für Herzmuskelerkrankungen (hypertrophe Kardiomyopathie). Es kommt außerdem zu einer Hautverdickung und zu starker Faltenbildung, was häufig Hauterkrankungen durch Pilzbefall und/oder eitrige Entzündungsprozesse nach sich zieht und mit Schmerzen sowie Juckreiz verbunden ist. Ebenfalls bekannt sind eine Immunschwäche sowie Augenerkrankungen und Muskelerkrankungen. Auch in der Kommunikation mit Artgenossen und anderen Tieren ist die Nacktkatze eingeschränkt, da sie beispielsweise ihr Fell nicht sträuben kann.
Bei den Rex-Katzen, den Peterbald-Katzen und den Lykoi-Katzen wird ein eingeschränktes oder anomales Haarwachstum gezüchtet. So kommt es bei ihnen zu schütterem oder lockigem Fell. Auch verkürzte, gekräuselte oder fehlenden Tasthaare kommen bei diesen Rassen vor. So treten bei ihnen dieselben Probleme wie bei den Nacktkatzen auf – nur in abgeschwächter Form.
Katzenrassen mit Haarlosigkeit / Nacktkatzen:
• Mexican Hairless
• Canadian Sphynx
• Don Sphynx
• Hemmingway Sphynx
• Sphynxkin
• Dossow
• Peterbald
• Ukrainische Levkoy
• Kohana
• Elf
• Dwelf
• Ugly Bad Boy
• Bambino
• Minskin
• Cheops
• Bam Bob
• Manx
• Lykoi
Katzenrassen mit eingeschränktem oder anormalem Haarwachstum:
• American Rex
• Bohemian Rex
• Cornish Rex
• Curly Abyssinian (Abyssinian Rex)
• Dakota Rex
• Devon Rex
• Dutch Rex
• German Rex
• Himalayan Rex
• Hoosier Rex
• Israel Rex
• Italian Rex
• Mink Rex
• Missouri Rex
• Oregon Rex
• Prairie Rex
• Selkirk Rex
• Sepia Rex
• Tennessee Rex
• Ural Rex
• American Wirehair
• La Perm
• Tasmanischer Manx
Polydaktylie (Vielfingrigkeit) bei Katzen
Normalerweise haben Katzen 18 Zehen: fünf an jeder Vorderpfote und jeweils vier an den beiden Hinterpfoten. Durch eine bestimmte Genmutation kommt es bei Katzen häufiger zur Vielfingrigkeit. Meist haben die Tiere dann sechs Zehen an jeder Vorderpfote und fünf Zehen an jeder Hinterpfote – also 22 Zehen anstatt 18. Es handelt sich hierbei nicht um die Wolfskralle, wie man sie vom Hund kennt. Im Gegensatz dazu können hier vollständige Zehenglieder mit knöcherner Verbindung zur Gliedmaße vorliegen.
Es ist umstritten, ob die Samtpfoten unter der Polydaktylie tatsächlich leiden. Natürlich kann es sein, dass sich die zusätzlichen Krallen weniger gut physiologisch abnutzen und zum Einwachsen neigen, weshalb es ratsam ist, auf die Krallenlänge zu achten und bei Bedarf einzugreifen. Zudem können die zusätzlichen Krallen durch Traumata abreißen oder einreißen, wenn die Tiere beispielsweise daran hängenbleiben. Je nach Ausprägung kann es außerdem zu Einschränkungen in der Beweglichkeit oder zu Fehlstellungen kommen. Durch die zusätzliche Zehe entstehen anatomische Unregelmäßigkeiten, die – abhängig von Stärke und Ausprägung – motorische Einschränkungen nach sich ziehen können, auch wenn diese eher selten auftreten.
Bei der Main Coon Katze tritt die Vielfingrigkeit besonders häufig auf: So sollen 40 Prozent der Tiere überzählige Zehen haben. In den USA wird die Polydaktylie gar gezielt gezüchtet. Vielfingrige Katzen werden dort als „superscratcher“ bezeichnet und man geht davon aus, dass die Tiere Vorteile beim Beutefang und Klettern haben.
In Deutschland empfiehlt das Gutachten zur Auslegung des § 11b des Tierschutzgesetzes der Sachverständigengruppe Tierschutz und Heimtierzucht, Katzen mit Polydaktylie von der Zucht auszuschließen.
Katzenrassen mit Polydaktylie:
• Main Coon Katze (wird teilweise gezielt gezüchtet)
• Pixie Bob Katze (tritt überproportional häufig auf)
• Hemingway-katze

NorthStar203/iStock / Getty Images Plus via Getty Images
Die Kurzschwänzigkeit bei der Manx-Katze stellt eine tiefgehende Einschränkung in Verhalten und Gesundheit dar.
Kurzschwänzigkeit und Schwanzlosigkeit bei Katzen
Der Katzenschwanz hat mehrere wichtige Funktionen: Zum einen hält die Katze damit beim Laufen, Springen und Klettern die Balance, zum anderen nutzt sie ihn für die Kommunikation. Fehlt der Samtpfote also der Schwanz, ist sie deutlich in ihren Bewegungsmöglichkeiten und ihrem artgerechten Verhaltensrepertoire eingeschränkt. Hinzu kommt, dass bei der Züchtung auf verkürzte, teilweise abgeknickte, gar verknotete, oder ganz fehlende Schwänze bei den verschiedenen Rassen zusätzliche Missbildungen entstehen.
So neigen diese Rassen zu diversen Wirbelsäulenmissbildungen: Geteiltes Rückenmark (Diastematomyelia), abnormal fixiertes Rückenmark (Tethered Cord), Fettansammlungen im Rückenmark, Höhlenbildung im Rückenmark (Syringomyelie), Erweiterung des Zentralkanals im Rückenmark mit Flüssigkeitsansammlung (Hydromyelie), oder vermehrt zu einer offenen Wirbelsäule (Spina bifida). Generell können auch andere Wirbelkörper, wie Brustwibrel und Lendenwirbel neben den Schwanzwirbeln verändert sein. Die Wirbel- und Schwanzdeformationen weisen oft auch eine Schmerzhaftigkeit bei Berührung auf.
Zudem können Gehirnmissbildungen auftreten und manche Katzen sind von Stuhl- und Harninkontinenz, Harnsteinbildung, Darmvorfällen oder Lähmungen und Ganganomalien betroffen. Bei Manx-Katzen besteht zudem eine hohe Mortalitätsrate, wobei reinerbige Tiere häufig bereits im Mutterleib sterben.
Es werden unterschiedlich ausgeprägte Verkürzungen der Schwanzwirbelsäule gezüchtet: verkürzte aufgerollte Schwänze, kurze gerade Schwänze (tailed), Stummelschwänze (rumpy rise, stumpy) und völlig schwanzlose Katzen (rumpy).
Kurzschwänzige und schwanzlose Katzenrassen:
• Manx-Katze
• Cymric
• Japanese Bobtail
• Kurilen Bobtail
• American Bobtail
• Kurilen Bobtail
• Mekong Bobtail
• Pixie-Bob
• Toy-Bob
Brachyzephalie (Kurzköpfigkeit) bei Katzen
Ein Leben lang atemlos – ein Schicksal, das vor allen Dingen Perserkatzen und Exotic Shorthairs heimsucht. Beide Rassen werden auf extreme Kurzköpfigkeit hin gezüchtet. Ihr Kopf ist rundlich, das Gesicht wirkt eingedrückt und flach, die Nase ist kaum vorhanden, die Augen wirken groß und vorstehend und der Unterkiefer steht vor. Als Extremform gilt das sogenannte „peke-face“: ein Gesicht, das an ihren Leidgenossen unter den Hunden, den Pekinesen, erinnern soll. Hier ist die Nase auf gleicher Höhe wie die unteren Augenlider und die Nasenlöcher stehen dicht beieinander und sind verengt.
Die Bundestierärztekammer rät dringend von diesen Züchtungen ab, denn für die Tiere sind die Folgen gravierend: Ihr Nasengang und Rachen sind so verengt, dass sie nur eingeschränkt atmen können. Die erschwerte Atmung äußert sich in schniefenden, pfeifenden oder schnarchenden Geräuschen. Diese können durchaus zu einer regelrechten Atemnot führen, sodass es sogar zum absoluten Notfallsignal, der Maulatmung, kommen kann. So ist ihre Konstitution – insbesondere in den Sommermonaten – durch die Kurzatmigkeit stark eingeschränkt und sie haben durch die mangelhafte Möglichkeit der Thermoregulation ein hohes Risiko, einen Hitzschlag zu erleiden. Bei Operationen haben die Samtpfoten ein stark erhöhtes Narkoserisiko. Schlafstörungen und Belastungsintoleranz auch außerhalb der Sommermonate treten häufig auf. Darüber hinaus sind die hervortretenden Augen eigenrollten Augenlieder ständigen Reizungen und Austrocknungen ausgesetzt, wodurch es zu Bindehautentzündungen und Augenausfluss kommen kann. In den Hautfalten oberhalb der Nase können sich Pilze und Bakterien ansiedeln, vermehren und dadurch zu häufigen, schmerzhaften Infektionen führen. Die mit der Brachyzephalie verbundenen Beeinträchtigungen werden zusammengefasst unter dem Begriff des brachyzephalen obstruktiven Atemwegssyndroms (BOAS).
Bei kurzköpfigen Katzen können zudem zahlreiche weitere gesundheitliche Probleme auftreten. Durch die verkürzte Schädelform kommt es häufig zu Fehlbildungen von Gebiss, Kiefer und Schädeldecke. Zudem kann eine Verlegung des Tränennasenkanals den Abfluss der Tränenflüssigkeit stören, was zur Bildung von Tränenstraßen an den inneren Augenwinkeln und in der Folge zu Hautentzündungen führt. Betroffene Tiere zeigen außerdem eine erhöhte Neigung zum Wasserkopf (Hydrozephalus) und Tumorneubildungen (Neoplasien).
Auch die Futter- und Wasseraufnahme ist durch die anatomischen Veränderungen oft erschwert, was wiederum zu gastrointestinalen Problemen beitragen kann. Hinzu kommen eine hohe Anfälligkeit für Zahnprobleme sowie Schwierigkeiten bei der Geburt, die für Katzen und ihre Nachkommen erhebliche Risiken bergen.
Darüber hinaus sind kurzköpfige Katzen durch ihr flach-gezüchtetes Gesicht stark in ihrer Mimik eingeschränkt. Dies beeinträchtigt ihre nonverbale Kommunikation mit Artgenossen und Menschen, was zu Missverständnissen im Sozialverhalten führen kann.
Katzenrassen mit Brachyzephalie:
• Perserkatze
• Exotic Shorthair
• Selkirk Rex
• Scottish fold
• British Kurzhaar
• British Langhaar

kiszon pascal/Moment via Getty Images
Die Faltohren gehen bei Katzen mit schwerwiegenden Schäden am ganzen Bewegungsapparat einher.
Anomalien der Ohren bei Katzen
Die charakteristischen Faltohren, die zum Beispiel die Scottish Fold zeigt, gehen auf eine Genmutation zurück. Durch die Mutation wird der Knorpel der Ohrmuschel zerstört. Doch leider macht die Mutation nicht beim Ohr halt: Sie führt zu schmerzhaften Deformationen des Skeletts, zu Schäden an den Wachstumsfugen und Gelenken – insbesondere der Gliedmaße und des Schwanzes. An der unheilbaren Erbkrankheit Osteochondrodysplasie (OCD), einer Knochen- und Knorpelfehlentwicklung, leidet jede schottische Faltohrkatze und jeder ihrer Mischlinge. Manche erkranken bereits im Kittenalter, manche erst im Erwachsenenalter. Oft schreitet die Krankheit mit dem Alter voran und die Beschwerden verschlimmern sich. Sie leiden lebenslang unter Schmerzen bei jeder Bewegung. Die Symptome reichen von Lahmheit über Bewegungsunlust, Arthrose, Gangbildstörungen, Berührungsschmerz bis hin zur kompletten Bewegungsunfähigkeit. Zudem sind Faltohren in der Katzenkommunikation unbrauchbar und neigen zu Ohrenentzündungen und Milbenbefall. Heilbar ist die Krankheit nicht, es gibt lediglich eine palliative Therapie für diese Katzen, die meist schon sehr früh beginnt.
Katzenrassen mit Anomalien der Ohren
• Scottish Fold
• Highland Fold
• Ukrainische Levkoy
• Pudelkatze
• American Curl
• Elf Cat
• Exotic Fold
• Foldex
• Hemingway Sphynx
• Oriental Fold
• Ragafold
• Scaffodoll
• Siafold
Aufhellung der Fell- und Augenfarbe bei Katzen
Angeborene Taubheit ist viel zu häufig der Preis für das reinweiße Katzenfell – zumindest, wenn explizit auf die weiße Fellfarbe hin gezüchtet wird. Für das reinweiße Fell, meist in Kombination mit blauen Augen, sorgt das W-Gen: Reinerbige Katzen mit dem W-Gen leiden zu 43 Prozent unter Taubheit, mischerbige haben ein Risiko von 23 Prozent. Bei den betroffenen Katzen ist mit schweren Defekten des Innenohrs (Schwerhörigkeit, Taubheit) sowie mit Schädigungen des Augenhintergrunds (eingeschränkte Nachtsicht, Nachtblindheit) zu rechnen. Weiße Katzen und weißgescheckte Katzen mit unpigmentierten Ohren, Lidern und Nasenspiegeln haben außerdem ein erhöhtes Risiko für Hauttumore.
Diese gravierenden Defekte stellen nicht nur einen körperlichen Schaden dar, sondern beeinträchtigen auch das artgemäße Verhalten der Katzen – also die Sozialkontakte, die innerartliche Kommunikation, die Orientierung in der Umwelt, das Jagdverhalten und vieles mehr. Da durch die verminderten Sinnesleistungen mögliche Gefahrenquellen erst verspätet oder gar nicht wahrgenommen werden können, ist eine Freilaufhaltung mit einem hohen Unfallrisiko verbunden. Daher sollten betroffene Katzen in der Wohnung gehalten werden und nur gesicherten bzw. kontrollierten Freigang erhalten. Das Qualzuchtgutachten empfiehlt ein Zuchtverbot für alle weißen Katzen, die Träger des W-Gens sind, und für Tiere mit bereits festgestellten Hör- und Sehstörungen.
Katzenrassen mit aufgehelltem Fell oder Augen:
• Türkisch Angora
• Perserkatze
• Foreign White
• Orientalisch Kurzhaar
• Russian White
• Van Katze
• Perserkatze
• Britisch Kurzhaar
• Europäisch Kurzhaar
• Rex-Katzen
• Scottish Fold
• Norwegische Waldkatze
• Main Coon
• Khao Manee
Eleganz braucht keine Qualzucht
Wenn du den Tieren helfen und ihr Leiden beenden möchtest, solltest du keine der betroffenen Katzenrassen kaufen. Denn solange diese Rassen gekauft werden und das Geschäft mit ihrem Leid profitabel ist, werden sie weiter gezüchtet.
Du solltest dir immer darüber bewusst sein, dass man mit einer Qualzucht-Rasse die aufgezeigten Gesundheitsprobleme in Kauf nimmt. Eine der genannten Rassen wird in ihrem Leben womöglich eine sehr viel intensivere tiermedizinische Betreuung benötigen, möglicherweise auch spezielles Futter, und sie wird unter Umständen stark eingeschränkt sein. Das erfordert zusätzliche Ressourcen und finanzielle Aufwendungen, die dem Tier gegenüber aufgebracht werden müssen.
Wenn du eine Samtpfote bei dir aufnehmen möchtest, achte darauf, dass sie eine gut erkennbare Nase, aufrechte Ohren, ein dichtes Fell, lange Beine und einen gut ausgeprägten Schwanz hat. Und mal ganz ehrlich: Sorgen nicht gerade diese Merkmale dafür, dass Katzen so besonders schön und elegant aussehen?