Impulskontrolle beim Hund - Unsere besten Tipps und Übungen
24.07.2024 - Lesedauer: 5 Minuten
Ruft der Begriff Impulskontrolle bei dir eine gewisse Skepsis hervor? Keine Sorge: Wir wollen keinen „Robo-Dog“ aus deinem Hund machen! Bei der Impulskontrolle geht es darum, deinen Hund so zu trainieren, dass er spannenden Alltagsreizen gelassener entgegensehen kann. Er lernt impulsive Handlungen, die ihn und/oder andere in Gefahr bringen könnten, durch antrainierte Selbstbeherrschung zu kontrollieren. So wird dein Hund nicht nur gesellschaftstauglich, sondern euer Zusammenleben wird auch stressfreier und harmonischer. Was du über die Impulskontrolle beim Hund wissen musst und unsere besten Tipps und Übungen haben wir in diesem Ratgeber für dich zusammengestellt.
- Was bedeutet Impulskontrolle beim Hund?
- Was ist der Unterschied zwischen Frustrationstoleranz und Impulskontrolle beim Hund?
- Welche Faktoren beeinflussen die Impulskontrolle beim Hund?
- Wie trainiert man Impulskontrolle beim Hund?
- Impulskontrolle Übung 1: Begegnungen mit anderen Hunden
- Impulskontrolle Übung 2: Klingeln an der Tür
Dein Hund nimmt die Welt um sich herum ganz anders wahr als du: 220 Millionen Riechzellen liefern ihm olfaktorische Informationen, von denen du nur träumen kannst. Er hört etwa fünfmal so gut wie du und kann bewegte Objekte und in der Dämmerung besser sehen als du. Mit seiner Supernase kann dein Hund biochemische Reaktionen in deinem Körper erschnüffeln. Bist du beispielsweise gestresst, weiß dein Hund längst Bescheid, weil du nach Stresshormonen riechst. Stell dir für einen Moment vor, wie viele Reize bei einer ganz normalen Gassirunde auf ihn einprasseln: Jogger, Radfahrer, Wildtiere, andere Hunde, fremde Menschen, Autos, Straßenbahnen – all das muss ein wohlerzogener Hund ausblenden können und in den „Gassi“-Modus schalten.
Würde dein Hund auf jeden Reiz mit Gebell, An-der-Leine-Ziehen oder Hinterherjagen reagieren, würde es für dich schnell sehr anstrengend werden. Deswegen lernen Hunde schon von klein auf, nicht jedem Reiz nachzugeben, sondern sich zu beherrschen. Und das ist per Definition Impulskontrolle: Anstatt dem impulsiven Verhalten nachzugehen, zeigt dein Hund ein antrainiertes Verhalten. Impulskontrolle bedeutet, dass dein Hund dazu in der Lage ist, seine Handlungen und Emotionen zu kontrollieren – nicht dem Kaninchen hinterherzujagen, nicht den Besuch im „eigenen“ Revier anzukläffen, nicht die Grillreste im Park zu fressen, nicht zu bellen, wenn es an der Tür klingelt, und vieles mehr. Vielen Menschen ist möglicherweise gar nicht bewusst, was für eine tolle Leistung das ist!
Wenn du dich mit der Impulskontrolle beim Hund beschäftigst, stößt du vermutlich immer wieder auf den Begriff Frustrationstoleranz. Manchmal sind die Begriffe schwer voneinander abzugrenzen. Bei der Frustrationstoleranz geht es allerdings darum, dass dein Hund lernen soll, mit frustrierenden Erfahrungen umzugehen. Also nicht akute Impulse zu unterdrücken, sondern zum Beispiel den Frust auszuhalten, dass er jetzt lieber spielen würde, du aber keine Zeit hast. Oder dass er lieber jetzt schon fressen würde, aber bis zu seiner Fütterungszeit warten muss.
Ein Beispiel macht es klarer: Du bist mit deinen beiden Hunden unterwegs und hast eine Frisbeescheibe zum Apportieren dabei. Willst du Impulskontrolle mit deinen Vierbeinern üben, lässt du sie absitzen, wirfst die Frisbeescheibe, und beide dürfen die Frisbeescheibe erst holen, nachdem du sie mit einem Kommando wie „Apport!“ freigegeben hast. Willst du Frustrationstoleranz üben, schickst du nur einen Hund zum Apportieren der Frisbeescheibe los. Der andere muss den Frust aushalten, seinen Hundekumpel dabei zu beobachten, wie er die Frisbeescheibe holen darf und er nicht.
Auch die Frustrationstoleranz deines Hundes zu trainieren, ist sehr sinnvoll, besonders wenn dein Hund dazu neigt, forderndes oder aufdringliches Verhalten zu zeigen. Eine klassische Übung ist, ihn auf seinem Platz abliegen zu lassen, während du mit seinem Lieblingsspielzeug spielst. Seine Versuche mitzuspielen unterbindest du mit „Nein“ und schickst ihn auf seinen Platz zurück. Wenn er es ausgehalten hat, dich beim Spiel mit seinem Spielzeug zu beobachten, darfst du ihn natürlich überschwänglich loben und belohnen!
Kann jeder Vierbeiner Impulskontrolle lernen? Die gute Antwort lautet ja, die schlechte nicht im selben Ausmaß.
Die Fähigkeit zur Impulskontrolle wird bei Hunden durch verschiedene Faktoren beeinflusst, dazu zählen: sein Körperbau, seine Rasse, sein Alter, seine Vorgeschichte, eventuelle Krankheiten und das Stresslevel, dem er ausgesetzt ist.
Einflussfaktoren auf die Impulskontrolle von Hunden
- Große Hunde mit einem kräftigen Körperbau tun sich in Sachen Impulskontrolle in der Regel leichter. Sie bleiben von Natur aus meist ruhiger und lassen sich nicht leicht ablenken. Kleine Hunderassen mit einem leichten Körperbau sind häufig nervöser und ablenkbarer.
- Auch die Rasse hat einen großen Einfluss. Hunde werden zu unterschiedlichen Zwecken gezüchtet. Neben ihrem Äußeren unterscheiden sie sich auch in Wesen und Temperament. Während ein rassetypischer Neufundländer beispielsweise ein ruhiges Naturell mitbringt, ist ein Jack-Russel-Terrier oft von Natur aus quirlig. Auch Arbeitshunde wie der Border Collie können auf eine zu geringe Auslastung mit sehr nervösem Verhalten reagieren.
- Das Alter, in dem dein Hund lernt, seine Impulse zu kontrollieren, hat ebenfalls einen Einfluss. Das liegt daran, dass gewisse Gehirnareale bei Jungtieren noch nicht vollständig entwickelt sind. Je früher du anfängst, umso besser. Bei großen Hunderassen hast du mehr Zeit dafür – bei ihnen ist diese Entwicklung häufig erst mit drei Jahren abgeschlossen.
- Hunde aus dem Tierschutz, die schlechte Erfahrungen gemacht haben und in der Folge ängstlich, aggressiv gegenüber Artgenossen oder territorial sind, müssen genug Zeit bekommen, Vertrauen zu dir zu fassen, bevor du Erfolge in der Impulskontrolle erwarten kannst. Je nach Vorgeschichte kann es auch sein, dass du ein gewisses impulsives Verhalten nicht mehr abtrainieren kannst. Dann gilt es den Vierbeiner und sein Verhalten genau kennenzulernen und ihn vor sich selbst zu schützen.
- Auch Erkrankungen können zu einer herabgesetzten Impulskontrolle beim Hund führen. Dazu gehören Epilepsie, Staupe, Borreliose, Tollwut oder eine Schilddrüsenunterfunktion. Hast du also einen Hund, der seine Impulse kontrollieren konnte und plötzlich nicht mehr dazu in der Lage ist, solltest du tierärztlichen Rat einholen.
- Auch ein stressiges Umfeld mindert die Fähigkeit deines Hundes zur Impulskontrolle. Ein Hund, der unter Stress steht, wird große Mühe haben, seine Impulse zu kontrollieren. Stress ist ein häufig unterschätzter Faktor im Hinblick auf den allgemeinen körperlichen und geistigen Gesundheitszustand von Hunden.
Wenn du mit deinem Hund Impulskontrolle trainierst, geht es darum, ihm nicht nur ein Kommando oder einen Trick, sondern ein Prinzip zu vermitteln. Er muss lernen, dass er im Alltag nicht allen Impulsen nachgehen kann und dass er manchmal frustrierende Situationen aushalten muss. Du bist dabei seine Orientierungshilfe: Per Blickkontakt versichert er sich bei dir, dass sein Verhalten im Rahmen ist.
Bevor es mit dem Üben losgehen kann, dreht ihr am besten eine kleine Gassirunde. So ist dein Vierbeiner entspannt, da er schon ein bisschen Bewegungsenergie abbauen konnte – das hilft beim Konzentrieren. Sorge für eine reizarme Umgebung, damit du die einzelnen Reize setzen kannst, die du trainieren möchtest, ohne dass sie durch andere überlagert werden. Später zur Steigerung des Trainings trainiert ihr dieselben Übungen mit immer mehr Ablenkungen.
Fangt mit kurzen Übungseinheiten von wenigen Minuten und nur zwei bis drei Übungsdurchläufen an. Bleibe immer geduldig, auch wenn es nicht gleich klappt. Die Impulskontrolle ist nicht einfach für deinen Hund und außerdem trainierst du so deine eigene Frustrationstoleranz. Ideal ist es, wenn ihr das Training mit einer erfolgreichen Übung abschließt. Dann hat dein Hund ein positives Erlebnis und mehr Lust auf die nächste Trainingseinheit. Packe immer ausreichend Leckerli ein und vergiss auch nicht, deinen Vierbeiner zu loben.
Dein Hund zieht an der Leine, bellt oder zeigt aggressives Verhalten Hund, wenn ihr anderen Hunden begegnet? Dann haben wir eine Übung für euch, die ihm hilft, diesen Impuls zu kontrollieren. Es handelt sich um eine simple Übung, für die er nur das Grundkommando „Sitz!“ beherrschen muss.
So geht’s:
- Suche eine ruhige Umgebung, wo ihr auch auf andere Hunde trefft. Am besten einen Park oder ein Auslaufgebiet zu einer nicht zu stark frequentierten Zeit.
- Lass deinen Hund an der Leine laufen.
- Kommt ein Hund in Sichtweite, lässt du ihn mit dem Kommando „Sitz!“ absitzen.
- Befolgt er das Kommando und hält mit dir Blickkontakt, gib ihm ein Leckerli.
- Willst du den Blickkontakt verstärken, kannst du zusätzlich mit dem Kommando „Schau!“ arbeiten.
- Lass ihn so lange sitzen, bis der fremde Hund an euch vorbeigegangen ist.
- Ist dein Hund zu Anfang noch nervös, stelle dich zwischen ihn und den fremden Hund.
- Wenn der Hund vorbeigegangen ist, belohne ihn mit einem Leckerli und Streicheleinheiten.
Du brauchst eigentlich keine Türklingel, weil dein Hund ausrastet, wenn sich jemand deiner Tür nähert? Wenn jemand wagt, die Türklingel zu drücken, gibt es ein Bellkonzert? Du würdest gern deinen Besuch mal wieder als Erster begrüßen? Dann probiere diese Übung!
So geht’s:
- Für diese Übung brauchst du Geduld und einen Komplizen.
- Hier muss dein Hund zwei Impulse unterdrücken: das Rennen zur Tür und das Bellen.
- Sprich dich mit einer zweiten Person ab, dass sie an deiner Tür klingelt.
- Sende zum Beispiel eine Textnachricht: „Klingle bitte in zwei Minuten an meiner Tür.“ Hunde sind schlau: Wenn sie dich vor der Tür mit jemandem sprechen hören, wissen sie, dass etwas im Busch ist.
- In den zwei Minuten lässt du deinen Hund auf seinem Platz Sitz machen, der mindestens zehn Meter von der Tür entfernt ist.
- Wenn es klingelt und dein Hund zur Tür stürmen möchte, stellst du dich in den Weg und schickst ihn immer wieder auf seinen Platz, bis er dort sitzen bleibt, während du zur Tür gehst.
- Bleibt er sitzen, belohne ihn mit Leckerli und lobe ihn ausgiebig.
- Viele Hunde sind auf ihrem Platz automatisch still und schauen zur Tür, um nichts zu verpassen.
- Bellt dein Hund auf seinem Platz, übst du im zweiten Schritt, dass er ohne Bellen auf seinem Platz wartet. Dazu kannst du das Kommando „Aus!“ oder „Still!“ verwenden.
- Klappt auch das, könnt ihr euch auf die Schulter klopfen und dein Hund hat ein Leckerli verdient.
Wir wünschen euch viel Erfolg beim Üben!